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Old 02-17-2012, 03:12 AM   #53
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Hallo Adventure-Treff Community,

ob dieser intensiven Diskussion versuche ich nochmal einige Dinge aus unserer Sicht klarzustellen. Die Hintergründe sind einfach zu kompliziert, um sie in 1-2 Sätzen zu erklären. Wo soll ich anfangen?

Die Märkte und die Art und Weise wie Computerspiele verkauft werden, haben sich in den letzten fünf Jahren rasant verändert. Eine sehr große Anzahl von Pleiten nicht nur deutscher Publisher und Entwickler, sondern weltweit, zeugen davon, dass es schwerer ist, mit Offline-Spielen Geld zu verdienen, als man das eventuell üblicherweise annimmt. Im übrigen ist es mindestens genauso schwer mit Online-Spielen Geld zu verdienen. Auch das erfordert ein hohes Maß an Erfahrung, guter Vermarktung und Content, der letztendlich von Spielen in ausreichender Weise genutzt und bezahlt werden muss. Wir haben im deutschen Markt die "Luxussituation", dass wir noch einen sehr stabilen und lukrativen Handel mit Boxenspielen haben (er ist aber auch rückläufig). Der Anteil des physischen Handels ist deutlich größer, als in jedem anderen Land der Welt (diese Aussage gilt für PC-Spiele, nicht für Konsolenspiele). Früher (noch vor fünf Jahren) konnte man bei einem in Deutschland produzierten Adventure gut 50% der geplanten Einnahmen im Ausland erzielen. Es gab starke andere Adventuremärkte wie Frankreich, Russland oder die USA. Hinzukamen Märkte, in denen zumindest ein bischen etwas ging, wie beispielsweise Polen, UK, Italien, Spanien. Heute muss man feststellen, dass nahezu alle anderen Märkte entweder tot oder nahezu unmöglich mit Boxenprodukten zu bedienen sind. Die Verkaufszahlen sind unglaublich schlecht. Lokas für Adventures lohnen sich nicht mehr. In den USA erscheinen, aufgrund einer sehr sehr selektiven Auswahl nur ganz wenige Computerspiele im normalen Boxenhandel (Madden, Sims, Starcraft 2 und - ja das wars eigentlich fast schon). Ketten wie WalMart, BestBuy, Target oder GameStop fassen Adventures einfach nicht mehr an. Nur eben in Deutschland oder vielmehr in den deutschsprachigen Ländern gilt das nicht. Hier funktioniert der Handel nach wie vor. Genau daher kommt ja auch das Zitat von Tim Schafer, dass Adentures nur noch in unserer Erinnerung, unseren Träumen und in Deutschland existieren. Und genau darum ist Steam so wichtig. Kein Land, kein Kontinent und kein Handelspartner ist in der Lage weltweit Kunden zu erreichen und so effektiv im Kern wirklich gute Spiele an interessierte Kunden zu verkaufen. Und keiner behandelt einen so fair, sofern man denn überhaupt Partner von Steam ist und sie ein Spiel selbst unterstützen. Unser Problem ist, dass alle anderen Online-Händler in der Welt zusammen nur 10-20% von dem ausmachen, was Steam bewegen kann, wenn sie ein Spiel wirklich pushen. Unsere These dabei ist, dass wir ganz fest glauben, dass z.B. Deponia sehr viel auf steam verkaufen würde, wenn es denn draufkommt. Wir werden steam das Spiel in drei Wochen auf der GDC final vorstellen. ANB und Edna Bricht Aus haben sie abgelehnt (nach dreimaliger Vorstellung) mit der Begründung, dass sie meinen, dass ihre Zielgruppe das Spiel nicht interessiert. Wir können jetzt darüber diskutieren, ob die Übersetzung nicht optimal ist, ob unsere Spiele technisch nicht immer perfekt sind. Entscheidend ist, der Auswahlprozess bei Adentures ist sehr willkürlich. Auf Steam gibt es sehr viele Adventures. Viele davon erreichen unserer Meinung nach nicht ansatzweise die Qualität z.B. eines Deponias oder Ednas. Und es gibt sogar einige Adventures, die immer wieder wie bei Adventures halt üblich über einen langen Zeitraum regelmäßig gekauft werden und Titel, die schier unglaubliche Stückzahlen auf steam verkaufen. Wenn wir einmal so einen Hit hätten, könnten wir zehn Deponias entwickeln. Also versuchen wir irgendwie zu überleben, bis es endlich klappt.

Bei Das Schwarze Auge: Satinavs Ketten hat uns unser Partner Koch Media gefragt, ob wir Steamworks integrieren können, damit wir den Titel besser vermarkten können. Auch Koch Media hatte es in der Vergangenheit schwer bei Steam. Nachdem sie aber mit Dead Island einen Superhit hatten, ist es leichter geworden.

Unsere zukünftige Strategie könnte so aussehen. Wir releasen digital weltweit mit Steam und anderen Partnern und es gibt 2-3 Länder, wo wir eine Boxenversion ohne DRM verkaufen. Das ist im Prinzip der Plan für Deponia 1+2+3 und Harveys Neue Augen. Die guten Verkäufe zum Start bei Deponia werden uns wenig bringen, wenn wir den Titel nicht international ausrollen können. Dann schreiben wir am Ende eine schwarze Null und bleiben weiter abhängig von Umständen, die hohes Frustrationspotential haben. Wieso? Ganz einfach, wir haben Deponia jedem relevanten deutschen Investitons-Partner seit Spätsommer 2008 vorgestellt. Und alle haben das Spiel abgelehnt. Da waren Unternehmen dabei, die ein Adventure-Flop nach dem anderen releasen oder releast haben, uns aber mit Deponia ausgelacht haben. Dann versucht man es halt irgendwie selbst. Mit der Hilfe unseres Vertriebspartners Eurovideo konnten wir es dann schließlich beweisen. DANKE! Deponia ist der erfolgreichste Start (gemessen an den ersten zwei Verkaufswochen) einer neuen Adventuremarke in Deutschland in den letzten zehn Jahren. Der Markt ist viel schwerer und schlechter als vor fünf Jahren. Trotzdem hat das Spiel sich zum Verkaufsstart besser verkauft, als alle großen Adventurehits der letzten 10 Jahre (Black Mirror, Dreamfall, Geheimakte Tunguska, Jack Keane, Ankh, BouT, Edna, TWW usw.). Bereits nach einer Woche kann man feststellen, dass kein Partner, dem wir das Spiel angeboten haben, damit Geld verloren hätte. Ganz einfach deshalb, weil die Erstauslieferungsmenge nur im geringen Maße oder gar nicht vom Handel retourniert und damit dann auch bezahlt wird. Oft weiß man erst zwei Jahre später, ob sich ein Titel gerechnet hat. Für Adventures ist es aber wichtig, ob das Spiel sich auch über einen langen Zeitraum gut verkauft. Das ist noch nicht klar. Insbesondere bei den oben genannten Titeln gilt, dass sie allesamt erfolgreich waren, weil sie sich sehr sehr lange ordentlich verkauft haben.

Zurück zu Steam: Genauso wie es scheinbar Kunden gibt, die uns sagen, wenn wir eine Steamaktivierung haben, dann kaufen sie unsere Spiele nicht, gibt es genauso Kunden (auch in Deutschland), vor allem weltweit, die inzwischen nur noch Steam nutzen. Diese Kunden erreichen wir alternativ (außerhalb Deutschlands) gar nicht. Wir haben also die Wahl zwischen der Pest oder Kollera. Bei The Whispered World lief so einiges schief beim Steam-Release (keine Demo, falscher Preis, keine Werbung und fast ein Jahr nach dem englischen Box-Release usw.), trotzdem hat das Spiel kontinuierlich auf Steam verkauft. In einer Bundle-Verkaufsaktion letztes Jahr im September hat das Spiel in NUR ZWEI TAGEN rund 6.000 Einheiten verkauft. TWW ist ein Spiel aus unseren frühen Tagen. Ich möchte jetzt nicht darauf eingehen, warum wir wenig bis gar nichts an den Steam-Verkäufen verdienen. Was man aber sehen kann, ist dass Leute über die ganze Welt verteilt das Spiel kaufen. TWW kaufen Leute aus Indien, Skandinavien, Dubai, Südafrika, Korea, Osteuropa usw. Spieler in diesen Ländern können wir nahezu nur über Steam erreichen.

Unser Ziel ist es, dass wir einmal die Chance haben, eines unserer Spiele selbst dort zu platzieren und dann auch wie in Deutschland einfach die Chance haben mit kreativen Ideen, PR und Marketing den Abverkauf SELBST zu unterstützen. Und wenn uns das gelingt, dann werden wir dort sicher auch erfolgreich werden. Nehmen wir ein anderes Beispiel: Den französischen Film "Ziemlich beste Freunde". Er läuft im Moment mit unglaublich großen Erfolg in den deutschen Kinos und vor allem völlig überraschend für sehr viele Leute. Das ist in sofern ein guter Vergleich, weil Kinos bzw. der Verleiher den Mut hatte ihn einzukaufen. Nur wenn Steam einen unserer wirklich guten Titel mal ausprobiert und selbst ernst nimmt, dann können wir beweisen, dass es sehr viele Leute gibt, die unsere Spiele mögen. Natürlich gibt es auch Leute, auf die das nicht zutrifft. Völlig OK. Unsere Spiele sind anders (komisch).

Darum würden wir uns freuen, wenn Ihr DSA, sofern Ihr es gekauft hättet (ohne Steam) auch mit Steam kauft. Und wenn Ihr höflich die Steam-Petition unterstützt, damit man in Seattle merkt, dass es doch Leute gibt, die solche komischen Spiele haben wollen. Selbst wenn Ihr unsere Spiele nicht mögt, dann unterstützt uns trotzdem, weil Ihr damit Unternehmen wie King Art mit BouT oder Animation Arts mit ihren episodischen Eigenentwicklungen unterstützt. Und diese Firmen haben es einfach verdient, dass ihre Spiele eine internationale Chance bekommen, weil sie mit dem gleichen Herzblut Adventures entwickeln, wie wir.

Please sign: http://forums.steampowered.com/forum....php?t=2502739

Beste Grüße und schönes Wochenende

Carsten Fichtelmann
http://www.adventure-treff.de/forum/...466829#p466829

Last edited by German; 02-17-2012 at 03:23 AM.
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